Finanzierung von Transformationsprozessen trotz Corona

Ein Beitrag von Oliver Böhm, Gründungspartner von CRESCAT Advisory, für die DDIM – Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V.:

Der Mittelstand war bereits in den letzten Jahren durch sich teilweise drastisch ändernde Markt- und Wettbewerbsbedingungen in zunehmendem Maße mit operativen und strategischen Transformationsprozessen konfrontiert. Die Notwendigkeit, unternehmerische Anpassungen vorzunehmen hat sich durch die Corona-Krise nochmals drastisch verschärft. Interim Manager stehen in diesen Zeiten an vorderster Front und leisten wertvolle Beiträge im Rahmen dieser Anpassungsprozesse.

Eine Herausforderung, die sich in diesem Zusammenhang fast immer auch ergibt, ist die Sicherstellung der Finanzierung der mit diesen Transformationsprozessen einhergehenden Maßnahmen.

Geschäftsbanken sind momentan selbst von der Krise getroffen und haben ihre Mittelvergabe nahezu eingestellt. Sie sind in diesen Situationen in der Regel allerdings meist grundsätzlich überfordert. Zum einen können sie die fundamentalen leistungswirtschaftlichen Maßnahmen und damit die Sinnhaftigkeit beziehungsweise Notwendigkeit für den Fortbestand des Unternehmens nur unzureichend bewerten, zum anderen versagt in derartigen Ausnahmesituationen der klassische Rating- und Kreditvergabe-Ansatz. Verschärft wird die Situation oft durch sehr eingeschränkte Möglichkeiten der Unternehmen bei der Gewährung von zusätzlichen Sicherheiten. Das Paradoxe daran ist, dass solche Transformationsprozesse in erster Linie der Beseitigung von unrentablen Geschäftsaktivitäten und der Sicherstellung der Tragfähigkeit beziehungsweise der Agilität des Geschäftsmodells dienen; beides Dinge, die Banken grundsätzlich gerne sehen und folglich unterstützen sollten.

In diese Finanzierungslücke springen einerseits Debt Funds mit ihren unterschiedlichen Fremdkapitalprodukten und andererseits Private Equity Gesellschaften sowie Family Offices und Spezialfinanzierer. Diese haben sich schon in den ersten Monaten der Krise entsprechend positioniert und bieten interessante Lösungen für Transformation und Restrukturierung.

Beide Finanzierungsformen gehören zur Kategorie der alternativen Kapitalformen und bezeichnen die Bereitstellung von Eigen- und Fremdkapital über Nicht-Banken durch entsprechende Fonds-Strukturen außerhalb der Börse.

Bei Debt Funds sind insbesondere folgende Kapitalformen zur Finanzierung von Business Transformationsprozessen geeignet (je nach Risiko- und bestehender Kaitalstruktur):

1. Direct Lending Debt: Kredite für Unternehmen mit einer normalen Ertragsstärke für operative oder strategische Anlässe über die „übliche“ Bankverschuldung hinaus.

2. Special Situation Debt: Kredite für Unternehmen in Sondersituationen zur Deckung temporärer Kapitalbedarfe.

Von den Private Equity Investoren sind diejenigen interessant, die aufgrund ihrer Fonds-Kriterien längerfristig engagiert bleiben dürfen, ggf. Minderheitsbeteiligungen akzeptieren und ihre Transaktionen nicht zwingend mit Fremdkapital im Rahmen eines sogenannten „Levereged-Buyout“ „hebeln“ müssen.  Diese Investoren sind mit unternehmerischen Transformationsprozessen vertraut und suchen derartige Situationen regelmäßig. Unter Umständen sind auch Investoren attraktiv, die in Form von Industrieholdings agieren und neben dem Kapital auch Ressourcen und Branchenkontakte mitbringen.

Der Vorteil beider Finanzierungsformen – Eigen- sowie Fremdkapital – liegt darin, dass diese – weitgehend ungeachtet verfügbarer Sicherheiten – ihr Kapital auf Basis der individuellen Beurteilung der Validität der in die Zukunft gerichteten Cash-Flow-Planungen auf Basis entsprechender Business Pläne beurteilen. Daher ist eine entsprechende professionelle umfangreiche Ausarbeitung solcher Dokumente unabdingbare Voraussetzung für die Ansprache dieser Investoren.

Spezialfinanzierer runden das oben aufgezeigte Spektrum ab, indem sie ihren Finanzierungskonstrukten sehr zielgerichtet Sicherheiten zu Grunde legen, die herkömmliche Banken nicht oder lediglich in unzureichendem Ausmaß akzeptieren – hierzu zählen unter anderem gebrauchtes Anlagevermögen, spezielle Positionen des Umlaufvermögens sowie immaterielle Aktiva wie Patente und Marken. Insbesondere letztere haben in unserer wissens- und technologiebasierten Wirtschaft einen stetig wachsenden Stellenwert, dem hiermit endlich adäquat Rechnung getragen wird. Auf diese Weise kann die Finanzierungskraft eines Unternehmens maximiert werden.

Fazit: Es ist sinnvoll und weitsichtig, die Bereitstellung und Verfügbarkeit der notwendigen Kapitalressourcen sicherzustellen. Dies ist anders als bei der Kreditvergabe durch Banken in der Vorbereitung und Auswahl deutlich umfangreicher und tiefgehender, liefert aber möglicherweise die erforderte Flexibilität und Partnerschaft, die für eine erfolgreiche Umsetzung benötigt wird.

 

Sie möchten von uns beraten werden oder sich zu einem der genannten Themen unverbindlich austauschen?

CRESCAT erhält Verstärkung durch Roland Kupka

Wir freuen uns, Ihnen unseren neuen Partner, Herrn Roland Kupka vorstellen zu können:

Roland Kupka verfügt über mehr als 30 Jahre Berufserfahrung im Bankwesen in leitenden Führungsfunktionen des Vertriebs und der Kreditrisikosteuerung, hiervon 10 Jahre in einem internationalen Umfeld für eine skandinavische Großbank, für die er als Mitglied der Geschäftsleitung die Geschäftsaktivitäten in Deutschland verantwortete. Besondere Erfahrung hat Roland Kupka in der Etablierung von ganzheitlichen Finanzierungskonzepten und der Zusammenarbeit mit mittelständischen Unternehmen als auch deren Inhaberfamilien.

Roland Kupka ist seit vielen Jahren Dozent und Lehrbeauftragter für verschiedene Hochschulen zu den Themenkomplexen SME, Corporate- und Structured Finance sowie Kreditrisikomanagement.

Wir werden nun aktiver zu den Themen:
Analyse/Erarbeitung ganzheitlicher Kapitalstrukturen für Unternehmer und Family Offices (ganz im Sinne von CRESCAT) und Credit Reviews bei Banken bzw. Loan-Portfolios am Markt auftreten.

Wasserstoff – die Nummer 1 der Elemente mit riesigen Ambitionen und genauso großen Auswirkungen auf eine Zulieferindustrie

Die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft wird überall gepriesen. Ob grauer, blauer oder grüner Wasserstoff – ohne ihn wird es keinen sinnvollen ökologischen Wandel in Deutschland sowie auf der gesamten Welt geben. Auch diese Technologie wird wieder zu einem großen Teil auf der Innovationskraft des Mittelstands aufbauen, um aus Ideen industriell nutzbare Produkte entstehen zu lassen. Und wie so oft werden die Wege kapitalintensiv und von einem internationalen Wettbewerb geprägt sein.

CRESCAT hat sich darüber mit einem ausgewiesenen Industrieexperten, Herrn Stefan Derichs, unterhalten:

 

Frage 1: Herr Derichs, in der Öffentlichkeit wird Wasserstoff derzeit in der Regel mit Energiegewinnung in Verbindung gebracht. Geben Sie uns bitte einen kurzen Einblick, wie groß der Eisberg der Nutzung unterhalb der Wasseroberfläche ist.

Die Einsatzgebiete sind mannigfaltig! Vom Einsatz in der Stahl- und Chemieindustrie bis hin zum Mobilitätssektor als Kraftstoff für Brennstoffzellen eröffnen sich zahlreiche Anwendungsbereiche. Experten prognostizieren einen Jahresumsatz von ca. 800 Milliarden Euro bis 2050 in Europa; und damit mehr als doppelt so viel wie die europäische Automobilbranche in 2021 erwirtschaften wird!

Bei der reinen Stromerzeugung wird Wasserstoff zunächst kein zentraler Treiber für die Entwicklung der Wasserstoff-Wirtschaft sein. Von hohem Interesse beim Thema Netzausgleich ist allerdings die Flexibilität der Fahrweise von Elektrolyseuren sowie die gute Speicherbarkeit von großen Mengen an Wasserstoff. Dies trägt zur besseren Systemintegration von erneuerbaren Energien bei und leistet somit auch einen Beitrag zur Versorgungssicherheit, welcher in den kommenden Jahren eine Schlüsselrolle in den Industrienationen zukommen wird.

Da die verarbeitende Industrie ein bedeutender Verursacher von CO2 Emissionen ist, wird sich dieser Bereich kurz- und mittelfristig mit der verstärkten Substitution von Ausgangsmaterialien (Feedstock) und Brennstoffen befassen. Besonders große Potenziale weist der Einsatz von Wasserstoff in der Stahlindustrie und der chemischen Industrie auf. Auch in der energieintensiven Glasschmelze wird Wasserstoff einen Ersatz für Erdgas darstellen. Um die bestehenden Produktionsanlagen, welche gegenwärtig einen sehr hohen Capex Bestand darstellen, auch zukünftig nutzen zu können, bedarf es der weiteren Entwicklung von flexibel betreibbaren Anlagen, die mit wechselnden Feedstocks und Volumenströmen zurechtkommen.

Alleine dieser Bereich birgt in sich bereits ein gewaltiges Potenzial für den internationalen Anlagenbau sowie die Zulieferindustrie von hochwertigen Spezialprodukten.

 

Frage 2: Haben mittelständische Unternehmen in dieser (internationalen) Wertschöpfungskette Chancen, sich zu behaupten?

Selbstverständlich! Der Mittelstand wird intensiv involviert sein; und zwar so erfolgreich, wie bisher in der chemischen Industrie, dem Öl- und Gas-Sektor, der Metallurgie oder anderen Segmenten der Prozessindustrie. Beispielsweise bei folgenden technischen Produkten:

• Elektrolyseure
• Regel-, Sicherheits- und Absperrarmaturen
• Tanks, Reservoirs, Behälter
• Rohrleitungen, Schläuche, Kanalsysteme
• Kompressoren, Turbinen
• Reaktoren und Wärmetauscher

Aber natürlich auch in Spezialbereichen des Anlagenbaus.

 

Frage 3: Wie kann sich der deutsche Mittelstand idealerweise strategisch positionieren, um vom steigenden Wachstumsmarkt in der Wasserstoffbranche zu profitieren ?

Es gilt die bewährte Strategie des Mittelstandes: neben Produkten auch Lösungen zu entwickeln. Und zwar immer am Kundennutzen orientiert und – wie in der Vergangenheit auch – mutig, sprich innovativ sein, die Digitalisierung integrieren und sich wenn möglich von Commodity Märkten fernhalten, die inzwischen fest in asiatischer Hand sind.

Ich kann mir auch eine Zunahme von Kooperationen und Corporate-JVs vorstellen; diese werden sicher auch häufiger anzutreffen sein.

 

Frage 4: Was werden die limitierenden Faktoren für den Mittelstand sein ?

Für den Mittelstand sind es wie eh und je gut qualifizierte Mitarbeiter. Der kommende Strukturwandel in einigen Regionen dürfte deutliche Besserung in dieser Hinsicht bringen.

Ein anderer, aber deutlich gravierender Faktor ist die limitierte Verfügbarkeit von Kapital. Die Kapitalerfordernisse sind inzwischen deutlich höher als in der Vergangenheit und oft nicht mehr mit der herkömmlichen und weiterhin restriktiven – auf klassische Sicherheiten basierenden – Bankkreditvergabepolitik vereinbar.

Wünschenswert wären alternative Kapitalgeber für flexible, an den Bedürfnissen und Cash Flows der Vorhaben orientierte Finanzierungen, beispielsweise von Produktentwicklungen, international wettbewerbsfähige Modernisierungen der Fertigungen sowie dem Aufbau von Auslandsmärkten und JVs.

Herr Derichs – wir bedanken uns für Ihre Einblicke in diese zukunftsweisende Industrie!

 

Herr Stefan Derichs ist seit 2020 selbstständiger Unternehmensberater und war zuvor tätig als Vice President und Leiter des Geschäftsfeldes Oil & Gas der weltweit tätigen Engineering-Unternehmensgruppe Paul Wurth. Davor war Herr Derichs Managing Director der Z&J Technologies, einer der weltweit führenden Hersteller von Absperreinrichtungen für Chemie- und Petrochemieanlagen sowie für die Stahl- und Glaserzeugung (heute ein Unternehmen der in UK börsennotierten IMI Plc Group).

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